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Was haben Emotionen im Business zu suchen?

Aktualisiert: 12. Okt. 2022

Eine lange Zeit existierte in Unternehmen und in der Wissenschaft das Bild vom sog. „homo oeconomicus“. Der Mensch als rein rational denkendes und handelndes Wesen. Mittlerweile sind viele schlauer und dennoch spukt dieses "Idealbild" in vielen Manager:innen-Köpfen herum. Nur leider ist es weder zeitgemäß, noch hilfreich. Emotionen sind als Motivationsfunktion ein wesentlicher Leistungsfaktor in Organisationen. Es lohnt sich, hier einmal genauer hinzusehen. In diesem Beitrag erläutere ich Dir, welche Bedeutung Emotionen im Business haben, welche Rolle die Führungskräfte dabei einnehmen und was passieren muss, um mit ihnen konstruktiv umgehen zu können.



Wie fühlt sich Deine Organisation an?

Welche Bedeutung haben Emotionen für Organisationen?


Wenn ich als Beraterin in die unterschiedlichen Unternehmen gehe und mit meinen Kund:innen spreche, nehme ich zunächst mit feinen Antennen die Atmosphäre wahr. Wie ist die Stimmung? Wie begegnen mir die unterschiedlichen Menschen? Wie sprechen und agieren sie untereinander? Es ist für mich wahnsinnig spannend und wichtig die emotionale Atmosphäre zu fühlen und zu beobachten. Oftmals bestätigen sich in der späteren, tieferen Zusammenarbeit meine ersten Einschätzungen mit den Themen, wegen denen ich als Beraterin zur Unterstützung für das Team hinzugezogen wurde. Was Emotionen mit Verhalten und Einstellungen zu tun haben, wurde mir deutlicher, als ich mich wissenschaftlich näher mit Emotionen in Organisationen beschäftigt habe.


Über Emotionen gibt es in der Psychologie unzählige kluge Abhandlungen. Festzuhalten ist, dass wir Emotionen haben. Doch wozu? Evolutionär gesehen haben alle Emotionen gute Gründe: Die Angst bewahrt uns vor Gefahren; Liebe und Freude binden uns aneinander. Alle Situationen lösen Emotionen aus und daraus folgen Handlungen. Alles was wir tun, alles was wir entscheiden, geschieht auf der Basis von Emotionen. Es gibt also keine rein rationalen Entscheidungen!


Übertragen auf Organisationen bedeutet das einerseits, dass Emotionen Teams zusammenschweißen können und als Grundlage für Vertrauen und Bindung dienen. Andererseits können Emotionen auch demotivieren oder destruktiv als Machtmittel und Mobbing eingesetzt werden. Unangenehme Emotionen können das Miteinander am Arbeitsplatz sehr belasten und so zu einer verminderten Leistung von ganzen Teams führen.


Entsprechend ergibt sich aus der Vielzahl der täglich gefühlten (oder auch unterdrückten) Emotionen eine emotionale Atmosphäre in der Organisation, die man – wenn man will - schon beim Betreten der Eingangstüre spüren kann.


Durch das Phänomen der „emotionalen Ansteckung“ in Organisationen lässt sich erklären, dass Gruppen dazu tendieren Stimmungen und Emotionen zu teilen. So werden von Kollginnen und Kollegen unbewusst Gefühle von anderen Mitarbeitenden imitiert, synchronisiert oder auch vervielfältigt. So können sich negative Emotionen von Kolleg:in zu Kolleg:in und von Team zu Team übertragen. Und so sitzt man plötzlich in einem Meeting mit einer gedrückten Stimmung und weiß gar nicht warum. Vielleicht kennst Du es aber auch, Du betrittst einen Workshop und wirst sofort von der guten Stimmung mitgenommen.


Auch wenn man heute weiß, dass es eine große Relevanz von Gefühlen und Emotionen in Organisationen gibt, wurden deren Dimensionen in der Organisationstheorie und -praxis lange Zeit vernachlässigt. Der Mensch sollte quasi seine Emotionen am Eingang in die Organisation abgeben. Im Zentrum stand bisher der handelnde Mensch, als „homo oeconomicus“, d.h. als rational und vernünftig denkend, handelt er stets nach den eigenen Interessen und entscheidet nach dem ökonomischen Prinzip im Sinn der individuellen Nutzenmaximierung. Die Emotionen werden hierbei ausgeschlossen, weil der homo oeconomicus keinen Grund hat, emotional zu sein.

Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass sich auch heute Organisationen schwer damit tun Emotionen im Alltag zu berücksichtigen. Es widerspricht der Tatsache, dass Organisationen als soziale Gebilde unweigerlich von Gefühlen und Emotionen bestimmt werden. Sowohl die individuellen Gefühle und Emotionen haben bedeutsame Einflüsse auf die Organisation sowie umgekehrt. Durch ihre Strukturen, Arbeitsklima und Kultur wirkt die Organisation auf die emotionalen Befindlichkeiten ihrer Mitglieder:innen ein. Dabei kommt den Führungspersonen eine besondere Bedeutung zu.


Wie wirkt das Bild auf Dich?

Welche Rolle spielt die Führung im Umgang mit Emotionen?


Für die Führungspraxis spielen Emotionen eine grundlegende Rolle, denn sie beeinflussen maßgeblich und bestimmen die Gefühlslage der Mitarbeitenden sowie die Qualität der zwischen-menschlichen Beziehungen. Emotionen sind entscheidend für die Entwicklung und Gestaltung von Organisationsprozessen sowie die Durchführung und Interpretation der Führungspraktiken. Die Wirkungsbreite, als einflussreicher und energetischer Zusammenhang, ist für die Leistungsbereitschaft der Beschäftigten aller Hierarchieebenen immens.

Dazu kommt, das das Bild des "homo oeconomicus" (unterbewusst) fester Bestandteil vieler Manager:innen- Gedanken ist. In vielen Management Etagen werden Emotionen immer noch mit Schwäche verbunden. Wenn das Management als Vorbild keine Emotionen zulässt und diese ggf. sogar verpönt oder sanktioniert, kann man sich vorstellen, wie sich diese Einstellungen und Haltungen durch das Unternehmen ziehen.

Vor diesem Hintergrund verstehe ich auch heute einige Erlebnisse aus der Vergangenheit: "Emotionen haben im Business nichts zu suchen", sagte ein ehemaliger Chef einmal (verärgert!) in die Runde. Es gilt sich zu mäßigen und rational zu argumentieren. Ich weiß nicht mehr in welchem Zusammenhang er sich äußerte, aber ich stellte fest, dass diese Aussage wie eine unausgesprochene Regel in vielen Organisationen gilt. Emotionen finden meistens keinen Platz im Arbeitsalltag.


Oje und wehe, es kullert dann doch einmal eine Träne. Wie unprofessionell! Zum Heulen geht man lieber auf die Toilette. Dort wo es niemand mitbekommt. Und wenn es dann doch einmal vor anderen passiert, dann weiß man nicht so recht damit umzugehen. Vielleicht ist es auch die eigene Betroffenheit oder Hilflosigkeit, die sich Führungspersonen in solchen Unternehmen ersparen wollen, weil sie nicht wissen wie sie mit der Situation gut umgehen können. Deshalb wird auch in Sitzungen oder Meetings krampfhaft die Contenance bewahrt.


Außerdem erfüllen Emotionen soziale Zwecke und regeln das Miteinander. In bspw. sanktionierenden Organisationskontexten fungiert Ärger und Aggression (wenn der:die Chef:in tobt!) als eine Rollenaufführung zur Anpassung sozialer Beziehungen oder Verpflichtungen im Miteinander. Wutausbrüche sind dann den Manager:innen vorbehalten, die ihren Mitarbeitenden auf diese Weise deutlich ihre Unzufriedenheit ausdrücken. Emotionen werden als Macht- und Druckmittel eingesetzt. Andersherum darf das dann natürlich niemals passieren, sonst wird mit der Kündigung gedroht. Das Verhalten überträgt sich von ganz oben über die mittleren Management Ebenen auf die Mitarbeitenden. Und wer mithalten will oder besser noch, aufsteigen will, muss sich an diese Regeln halten.

Hinzu kommen noch Stereotype und typisch männliche sowie typisch weibliche Zuschreibungen, weshalb Frauen als (Top-)Managerinnen häufig noch als zu weich, emotional oder schwach angesehen werden und sich erst einmal "hart" durchsetzen müssen, um ihren Kolleg:innen zu beweisen, dass sie mithalten können. Diese Einstellungen prägen die Unternehmenskultur und schaden dem Unternehmen in Summe mehr als sie nützen.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass den Führungskräften eine wichtige Rolle im Umgang mit Emotionen zukommt und sich erheblich auf die Motivation der Beschäftigten auswirkt. Wenn sie jedoch das Bild des homo oeconomicus in sich tragen, ist es wenig verwunderlich, wenn sie sich nicht mit (ihren) Emotionen auseinandersetzen (es gibt sie ja nicht) und somit auch den Umgang mit ihnen nicht lernen. Es ist also keine Frage, ob Emotionen existieren und welche wichtige Bedeutung sie in den Organisationen haben. Es geht darum, Emotionen zunächst selbst wahrzunehmen, denn sie wollen uns etwas sagen. Um dann zu lernen mit ihnen konstruktiv umzugehen und ihre Potenziale zu entfalten.

 

Du hast Fragen zu dem Artikel oder Thema? Du kannst Dich gerne jederzeit an mich wenden. Meine Kontaktdaten: wandel@domenika-rinke.de

 

Literaturempfehlung:

Bak, P. M. (2019). Lernen, Motivation und Emotion. Allgemeine Psychologie II – das Wichtigste, prägnant und anwendungsorientiert (Angewandte Psychologie Kompakt, 1. Auflage 2019). Berlin: Springer Berlin; Springer.


Küpers, W. & Weibler, J. (2005). Emotionen in Organisationen (Organisation und Führung). Stuttgart: W. Kohlhammer.


Fetchenhauer, D. (2018). Psychologie (2., vollständig überarbeitete Auflage). München: Verlag Franz Vahlen.


Nerdinger, F. W. (2003). Grundlagen des Verhaltens in Organisationen (Organisation und Führung). Stuttgart: Kohlhammer.


Zapf, D., Seifert, C., Mertini, H., Voigt, C., Holz, M. & Vondran, E. (2000). Emotionsarbeit in Organisationen und psychische Gesundheit. In H.-P. Musahl & T. Eisenhauer (Hrsg.), Psychologie der Arbeitssicherheit. Beiträge zur Förderung von Sicherheit und Gesundheit in Arbeitssystemen (S. 99-106). Heidelberg: Asanger.


 

Bildquelle: www.pexels.com

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